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Sonntag, 6. Mai 2012

Rezension: Didier Decoin - Der Tod der Kitty Genovese

Didier Decoin - Der Tod der Kitty Genovese


Die Darstellung eines grauenhaften Verbrechens...

Inhalt:
"Er hielt einen Augenblick inne, ehe er fortfuhr:
"Laut Polizeibericht waren es achtunddreißig Tatzeugen. Achtunddreißig Menschen, Männer und Frauen, die das Martyrium von Kitty Genovese eine halbe Stunde lang aus der Ferne verfolgt haben. Schön im Warmen hinter ihren Fenstern. Einige von ihnen mit einer Decke über den Schultern, andere hatten noch Zeit gefunden in ihren Morgenmantel zu schlüpfen. Keiner hat irgendetwas unternommen, um die arme Frau zu retten."
(S. 42)

"Der Tod der Kitty Genovese" berichtet über den grausamen Überfall und Mord an Kitty. Ihr Peiniger, Winston Moseley, wurde von unzähligen Nachbarn gesehen. Nachbarn, die später aussagten, dass sie dachten es handele sich um einen normalen Streit eines Paares oder Frauen, die ehrlich zugaben, es ihren Männern verboten zu haben sich da einzumischen.

Meinung:
Didier Decoin versteht es mit Worten umzugehen. Sein Schreibstil ist leicht und flüssig zu lesen - auch wenn einem manchmal die Haare zu Berge stehen. Er beschreibt den Mord an Kitty Genovese, die Gerichtsverhandlung und die Aussagen der Zeugen und es Täters ungeschönt und detailliert.

"Der Tod der Kitty Genovese" ist nicht nur ein Porträt des Mordes dieser jungen Frau, es schildert auch die fehlende Zivilcourage ihrer Nachbarn - niemand hätte erwartet, dass man sich zwischen Kitty und das Messer wirft - aber es wäre ein Handgriff gewesen den Telefonhörer abzuheben und die Polizei anzurufen. Ein verhalten, dass sich als Leserin dieses Buches schwer nachvollziehen lässt.

Im übrigen beruht das Buch auf einer wahren Begebenheit, die sich im Jahr 1964 zugetragen hat - und dieses Verbrechen hat auch dazu beigetragen, dass in Amerika eine einheitliche Notrufnummer eingerichtet wurde.

Erschreckend offen und ehrlich wird aufgezeigt, wie emotionslos Winston Mosley mit der Tatsache umgeht, dass er ein Leben ausgelöscht hat - und nicht nur eines, den Kitty war nicht sein einziges Opfer. Aber das Leben dieser jungen und lebensbejahenden Person hätte gerettet werden können!
"Dennoch war Gansberg der Meinung, wir sollten uns nicht allzu weit entfernen: Die Geschworenen seien sich, wie er sagte, bewusst, dass der Mord an Kitty Genovese nicht mehr den Rang einer Lokalnachricht, sondern nationale Bedeutung habe, und sie würden die Millionen von Menschen nicht enttäuschen wollen, die von ihrer Justiz erwarteten, schnell zu handeln, Strenge walten zu lassen und die junge Italoamerikanerin zu rächen, die lateinamerikanische Musik so sehr liebte und so gut zu Liedern von Arsenio Rodriguez und Johnny Pacheco tanzte, dass sie über den Tanzboden zu schweben schien, über den Asphalt, auf den geteerten Dächern der Wohnhäuser. Man nannte sie den angelo piccolo, den kleinen Engel, mit Beinen wie Trommelstöcke, die den Takt des Lebens angaben."
(S. 134/ 135)
Im Nachwort erfahren wir übrigens, dass das Verhalten der Tatzeugen "Genovese-Syndrom" oder auch "Bystander-Effekt" genannt wird.

"Der Tod der Kitty Genovese" ist ein ergreifendes und schrecklich offenes Buch, dass mit Capotes "Kaltblütig" verglichen wird!
Von mir eine Leseempfehlung!

Wertung:
♥ ♥ ♥ ♥ ♥

Für die Bereitstellung bedanke ich mich ganz herzlich beim Arche Verlag!

Produktinformation:
Didier Decoin - Der Tod der Kitty Genovese, übersetzt von Bettina Bach, 2011 im Arche Literatur Verlag erschienen
160 Seiten,  19,90 €

 

Montag, 23. April 2012

Rezension: Jürg Amann - Der Kommandant

Jürg Amann - Der Kommandant


Bekenntnisse eines Massenmörders

Inhalt:
"Die beiden großen Krematorien I und II wurden im Winter 1942/43 gebaut und im Frühjahr 1943 in Betrieb genommen. Sie hatten je fünf 3-Kammer-Öfen und konnten innerhalb 24 Stunden je ca. 2000 Leichen verbrennen. Die Verbrennungskapazität zu steigern war feuerungstechnisch nicht zu steigern."
(S.83)

Meinung:
Jürg Amann hat mit "Der Kommandant", wie er selbst schreibt "ein Monodrama in sechzehn Stationen" entworfen.
"Der Kommandant" ist auf Grundlage der Originalaufzeichnungen Rudolf Höß, dem Auschwitz-Kommandanten, entstanden.

Immer wieder treffen wir auf Bücher, die den zweiten Weltkrieg oder den Nationalsozialismus thematisieren, aber noch nie habe ich ein Buch gelesen, dass so realistisch den Lebenslauf und das "Berufsleben" eines NS-Kriegsverbrechers schildert.

Ich finde es nach wie vor schwierig, mich mit diesem Thema auseinander zu setzen. Vor allen Dingen, wenn ich von einem so grausamen Verbrecher als Mensch lese, über seine Kindheit, seine Familie. Und dann später wie sachlich und kalt er über den Ausbau des Konzentrationslagers und die Judenvernichtung berichtet.
"Kranke Personen, die man nicht in die Gasräume bringen konnte, wurden durch Genickschuss mit dem Kleinkalibergewehr getötet. Ein SS-Arzt musste ebenfalls zugegen sein. Das Einwerfen des Gases erfolgte durch die ausgebildeten Desinfektoren."
(S.77)
Authentisch, schrecklich offen und sachlich kühl - "Der Kommandant" von Jürgen Amann! Erschreckend und zugleich lesenswert! Ein Buch wider das Vergessen!

Wertung:
♥ ♥ ♥ ♥

Für die Bereitstellung bedanke ich mich ganz herzlich beim Arche Verlag!

Produktinformation:
Jürg Amann - Der Kommandant, 2011 im Arche Literatur Verlag erschienen
108 Seiten, 14,00 €